Titelbild zum Artikel Von Zirkeln und Krokodilen auf den Salomonen

Pikininis (wie die Kinder in den Salomonen genannt werden) paddeln in ihrem Kanu aus einer Kokospalme in die Lagune bei Munda. Sie sammeln Muscheln und fischen mit blossen Händen. Doch unter dem Wasser lauert die Gefahr in Form von Krokodilen. (Foto: zVg)

14.09.2024

Von Zirkeln und Krokodilen auf den Salomonen

Der Verein Ruckstuhl4Charity leistet einen wesentlichen Beitrag zu medizinischen Grundversorgung auf den Salomonen. Und ist dabei ein richtiges Familienprojekt. Die Eltern in der Medizin, der Sohn im Recht ausgebildet – und alle sind sie verankert im Schw. StV.

Was ist Ruckstuhl4Charitiy (R4C) und worin besteht euer Engagement?

Maurice Ruckstuhl v/o Gmögig: R4C ist ein Verein, der 2019 gegründet wurde (vgl. Informationen unten). Wir leisten und organisieren Arbeitseinsätze, hauptsächlich von medizinischem Fachpersonal, auf den Salomonen im Südpazifik. Dafür und für Medikamente, Geräte und allerlei benötigtes Material sammeln wir Spenden.

 

Wie kamt ihr dazu, euch für ein Charity-Projekt einzusetzen?

Chantal Ruckstuhl v/o Mami:­ Der Gedanke war nicht neu. Tatsächlich war es ein lang ersehnter Wunsch, uns in einem anderen Weltteil zu engagieren. Eigentlich seit unserem Studienabschluss im Jahr 1979 …

Erhard Ruckstuhl v/o Saintex: Damals hatten wir den festen Plan, für ein Jahr nach Tansania zu gehen. Wir hatten alles schon gepackt, waren abflugbereit. Aber das ging dann nicht mehr, weil sich die politische Situation im Land unter Staatspräsident Julius Nyerere zuspitzte.

Mami: Doch den Traum hatten wir nie aufgegeben. 2015 beschäftigten wir uns mit der Frage, was wir nach der Pensionierung machen würden. Wir knüpften Kontakte und schmiedeten Pläne. 2017 gingen wir für zwei Jahre ins Einsatzgebiet auf den Salomonen 

Die interviewten Personen (v.r.n.l.): Maurice Ruckstuhl v/o Gmögig (Rechtsanwalt; GV Zähringia, AKV Neu-Romania, AKV Burgundia), Chantal Ruckstuhl v/o Mami (Dr. med.; GV Zähringia) und Erhard Ruckstuhl v/o Saintex (Dr. med.; GV Zähringia, AKV Neu-Romania). Gemeinsam mit Dominic Tschümperlin v/o Herr (Rechtsanwalt; GV Zähringia, AKV Alemannia; nicht auf Foto) bilden sie den Vorstand von R4C. Weiter auf dem Foto: Daniel Oberholzer v/o Spion (AKV Neu-Romania) und Karin Oberholzer. Das Foto entstand vor dem Helena Goldie Hospital auf Munda, New Georgia. (Foto: zVg)

Im Jahr 1979 hattet Ihr Tansania zum Ziel. Weshalb ging es nun auf die Salomonen?

Mami: Als wir uns 2015 mit einem möglichen Einsatz zu beschäftigen begannen, hörten wir vom Projekt von Dr. Hermann Oberli, früher Chefarzt in Meiringen.

Gmögig: Der ist übrigens zwar kein StVer, aber Berner Singstudent. Und der hat die Stiftung «Medizin im Südpazifik» gegründet. 

Mami: Wir hatten uns mit Dr. Oberli getroffen. Er überzeugte uns von einem Einsatz auf den Salomonen, weil es da schlicht fast keine Ärztinnen und Ärzte gab; die meisten Spitäler wurden mehrheitlich von Pflegepersonal betrieben.

Saintex: Und so flogen wir dann 2015 ein erstes Mal auf die Salomonen.

 

Wart ihr damals schon pensioniert?

Saintex: Nein, das haben wir damals in unseren Ferien gemacht. Wir flogen auf die Hauptinsel Guadalcanal und besuchten die Hauptstadt Honiara. Da hatte Dr. Oberli bereits ein Zentrum für Chirurgie und Orthopädie aufgebaut. Und da trafen wir uns mit dem damaligen Gesundheitsminister. Dr. Steve Sanga Aumanu. Dr. Aumanu sagte sogleich: «Ferien? Das kommt gar nicht in Frage.» Er buchte uns für den folgenden Tag ein Flugzeug nach Munda auf der Insel New Georgia in der Western Province, nordwestlich von der Hauptinsel. So wurden wir direkt eingespannt. Gleich an unserem ersten Tag in Munda hatten wir Konsultationen, und ab da kamen die Leute Tag und Nacht. Rasend schnell sprach es sich auf der Insel herum, dass für einmal ein Arzt und eine Ärztin vor Ort seien.

Mami: Wir blieben dann gleich fünf (statt wie geplant vier) Wochen da. Zum Schluss machten wir noch die beschwerliche Bootsfahrt auf dem rauen Pazifik auf die kleine, vorgelagerte Insel Gizo und nahmen da zusammen mit dem Chirurgie-Anästhesie-Team aus dem Hauptspital von Honiara 40 grösser Operationen vor. Dann aber mussten wir zurück, schliesslich hatten wir ja noch unsere Praxis in Gurmels. 

 

Wie war das, nach dieser Erfahrung ­wieder zurück in der vertrauten Schweiz zu sein?

Saintex: Irgendwie ging das Engagement für das Projekt direkt weiter. Vielleicht hatten wir auch jetzt erst wirklich Zeit, um zu verarbeiten, was wir gesehen und erlebt haben; in welch absolut katastrophalem Zustand die medizinische Versorgung in der Western Province war.

Mami: Wir haben realisiert, dass wir von Grund auf alles in die Finger nehmen müssen, besonders was Hygiene angeht. Ohne Renovationen waren keine hygienischen Zustände möglich. Es fehlte an allem Material, die Böden waren kaputt, voller Löcher, es gab nur rostige Instrumente, keine Betten, keine Matratzen, keine Leintücher. Somit machten wir uns als erstes auf die Suche nach Material.

 

Und seid ihr fündig geworden?

Gmögig: Damals fand der Einsatz noch im Rahmen der Stiftung von Dr. Oberli statt. Das hat sich dann aber derart verselbstständigt und grössere Dimensionen angenommen, dass der Verwaltungsaufwand für die Stiftung zu gross wurde. Deshalb haben wir im Jahr 2019 mit R4C einen eigenen Verein gegründet.

Saintex: Dr. Oberli hatte uns damals einen Kontakt zum Malteserorden in der Schweiz vermittelt. Die hatten nämlich mal aus alten Armeebeständen ein komplettes Militärspital erhalten.

Gmögig: Wir sprechen hier von einer riesigen Einrichtung, ein Militärspital fast für eine ganze Brigade: 350 Betten, Matratzen, Pflegematerial, chirurgische Einrichtung; alles zusammen mit einem geschätzten Wert von etwa 800 000 Franken.

Saintex: Dieses Material durften wir für R4C übernehmen. Zwei Monate später erreichte die Spitaleinrichtung auf dem Seeweg die Salomonen.

Mami: Bei dieser Lieferung wurde in einem zusätzlichen Container noch ein Ambulanzfahrzeug verschifft. Dieses war ein Geschenk vom Ambulanzverein Murten, als Dankeschön an Saintex für dessen 25-jährige ehrenamtliche Tätigkeit als Präsident. Seiher gibt es auch eine «Ambulanz Munda».

Kann dieses Ambulanzfahrzeug auf der Insel überhaupt effizient eingesetzt werden? Wie muss man sich die Strassenverhältnisse auf New Georgia vorstellen?

Saintex: Von Munda, dem Hauptort der Insel, führt eine Strasse bis nach Noro, wo es eine grosse Produktionsanlage für Thunfisch in Dosen gibt, mit mehreren tausend Beschäftigen. Und in Munda gibt es einen Flugplatz, der noch von den Amerikanern stammt. Die Salomonen waren ja im Pazifikkrieg ein schwer umkämpftes Gebiet. Der Flugplatz führte, was Infrastruktur angeht, zu einem gewissen Vorsprung von Munda gegenüber dem Rest der Insel. Und so verkehrt nun die Ambulanz auf dieser asphaltierten Strasse durch den Dschungel entlang der Achse Munda-Nora. Die Kranken müssen irgendwie von den Einheimischen aus dem Urwald zur Strasse gebracht werden, damit sie aufgeladen werden können. 

Mami: Und auch für den Transfer vom Spital zum Flughafen ist die Ambulanz sehr wichtig.

 

Wie ging es für euch weiter? Wann wart ihr nach 2015 das nächste Mal auf den Salomonen?

Mami: 2017 – nach unserer Pensionierung und nach 35 Jahre Gemeinschaftspraxis in Gurmels – gingen wir schliesslich für zwei Jahre am Stück nach Munda. Wir konnten nun die grössten Herausforderungen angehen, die wir bereits bei unserem ersten Besuch erkannt hatten. 

Saintex: Als wir angekommen sind, fehlte es an Strukturen, eigentlich an allem: Das Personal vor Ort musste wirklich mit quasi nichts klar kommen, und so mussten wir das gemeinschaftlich und langsam aufbauen.

Mami: Dazu brauchte es entsprechende Ausrüstung: Instrumente waren rostig, es gab kaum Verbandsmaterial und nicht ausreichend Medikamente. Dann mussten bauliche Massnahmen vorgenommen werden. Ganz zentral war die Sicherstellung der Hygiene. Ein grosses Thema am Anfang war es dann auch, fixe Abläufe einzuführen, damit man überhaupt hygienisch arbeiten und unnötige Infektionen verhindern kann. Etwa, dass man Wunden nicht am direkt Bett, sondern in einem gesonderten Verbandszimmer öffnet.

Gmögig: Die Arbeit für meine Eltern begann ja in Munda, weil da die Zustände wirklich desolat waren. Inzwischen ist dieses Spital in den Rankings zu einem der besten Spitäler des Inselstaates aufgestiegen. Von da aus haben sie auch weitere Projekte bedient und aufgebaut, etwa auf Baniata und Sasamunga, wo man nur beschwerlich über kleine Boote mit Aussenbordern hingelangt.

 

Was waren für euch die grössten Herausforderungen dabei?

Mami: Die grössten Probleme oder Herausforderungen vor Ort sind die hygienischen Zustände, kulturelle Unterschiede und die klimatischen Bedingungen. Schwierig ist zum Beispiel, wenn die einheimischen Fachkräfte an Althergebrachtem festhalten, obwohl es offensichtlich medizinisch nachteilig ist. «Warum sollen wir nach 800 Jahren Geburten auf einmal anders handhaben? Es geht doch auch so!» Da musste ich sagen: «Nein, geht es eben nicht. Das Kind stirbt uns. Es gäbe aber Mittel und Wege, dass dieses Kind leben kann.» Und wenn dann ein Kind tatsächlich stirbt, das nicht hätte sterben müssen … – das war also schon unglaublich belastend.

Gmögig: Es ist wichtig zu wissen, dass die Einheimischen, die im Spital arbeiten, weit besser ausgebildet sind als die grosse Mehrheit der Bevölkerung. Die Ausbildungsinhalte, die sie dabei vermittelt bekommen, die sind indes teilweise derart veraltet, dass sie mit Standards der westlichen Medizin nicht mehr zu vereinbaren sind. Das Gelernte dann wieder aus den Köpfen rauszubringen, ist vor diesem Hintergrund verständlicherweise schwierig.

 

Weil eben das Fachpersonal vor Ort besonders stolz auf das einst Gelernte ist?

Gmögig: Natürlich. Sie fühlten sich dann in diesem Stolz rasch verletzt. 

 

Wie habt ihr es geschafft, die einheimischen Fachkräfte von euren Neuerungen und den angepassten Abläufen zu überzeugen?

Mami: Gerade hinsichtlich hygienischen Arbeitens offenbarten sich, aus Sicht der westlichen Medizin zumindest, grosse Wissenslücken. Diese zu schliessen, erforderte nebst Geduld auch viel Behutsamkeit; denn uns war wichtig, den Einheimischen, ihren Traditionen und auch ihren Leistungen mit grossem Respekt zu begegnen. Wie die Trampeltiere durchs Spital zu stampfen und alles zu kritisieren, dass wäre kaum der richtige Weg gewesen. Aber es brauchte enorm viel Geduld – und regelmässige Schulungen. Wichtig war zudem, dass wir die Insel nicht bereits nach einem Jahr wieder verlassen haben; einfach, weil es derart viel Zeit braucht, bis sich die Veränderungen durchsetzen. Und nach und nach haben sich die positiven Auswirkungen immer stärker gezeigt, sodass das Personal schliesslich stolz auf das Neuerlernte wurde. Als die Furrers [siehe Abschnitt am Schluss des Artikels] während ihres Einsatzes einmal auf Munda zu Besuch waren, durften sie feststellen, dass sich überall die Spuren von R4C finden, und das medizinische Personal erklärte dann stolz, warum sie gewisse Dinge so und nicht mehr wie früher machten. Das zeigte uns, dass viel von unseren Inputs hängen geblieben ist – mehr, als wir ursprünglich gedacht hätten.

Und wie seid ihr mit den weiteren Herausforderungen umgegangen?

Saintex: Wir müssen gar noch eine weitere nennen: Denn auch die Logistik stellt einen immer wieder vor enorme Herausforderungen. Erstes Beispiel: Wir hatten drei Sauerstoffflaschen für das gesamte Spital. Diese füllen zu lassen dauerte mindestens drei Wochen; eine, bis sie abgeholt wurden; eine, bis sie gefüllt worden sind ; eine, bis sie wieder bei uns waren. Zweites Beispiel: die Medikamentenversorgung von Seiten der Regierung. Wir hatten Zugriff auf etwa 40 Medikamente. Mehr hatte es nicht gegeben. Die Hälfte davon dauerhaft «Out of Stock», nicht lieferbar. Dann mussten wir einen ziemlichen harten Ton anschlagen gegenüber der Regierung, auch etwas fluchen manchmal, und sagen: «Wir brauchen jetzt ‹gopferdammi› dieses Material im Spital, schickt uns das Zeugs endlich.» Wir mussten unsere Beziehungen dazu spielen lassen und beständig Druck ausüben.

 

Und das Klima?

Saintex: Es herrschen fast durchgehend 32 Grad plus, Tag und Nacht. Dies bei enormer Luftfeuchtigkeit. Es herrschen Bedingungen wie einer Sauna. 

Mami: Auf das Klima kann man sich, wie eigentlich überhaupt auf die Zustände vor Ort, gar nicht vorbereiten. Und das schränkt halt alles ein, auch die Fortbewegung auf der Insel. Eine halbe Stunde durch den Urwald in den nächsten Ort laufen? Das überlebt man kaum in dieser Hitze und mit der Feuchtigkeit.

Saintex: Da geht man auch nicht Joggen oder so. Auch Velofahren würde nicht gehen, selbst wenn man eines verfügbar hätte. Und Baden kann man ebenfalls nicht. In zwei Jahren waren wir nie im Wasser, obwohl es eine paradiesische Insellandschaft ist und das Wasser nur 30 Meter von unserem Haus weg war.

 

Weswegen?

Gmögig: Wegen der Krokodile. Es ist alles voller Krokodile. Viele Leute leben vom Muscheltauchen oder vom Harpunenfischen. Weil sie davon leben, gehen sie das Risiko ein. 

Saintex: Mit ihren grossen Zähnen und ihrer Eigenschaft, an der Beute zu reissen, fügen die Krokodile den Menschen ganz schlimme Verletzungen zu –wenn sie überhaupt davonkommen.

 

 

Nebst Krokodilbissen: Was sind die gängigen Krankheitsbilder und Gesundheitsprobleme auf den Inseln?

Saintex: Es gibt sehr viel Malariafälle. Auch Tuberkulose – übrigens haben wir die erste Tuberkulosestation der Salomonen eingerichtet. Zuvor haben Tuberkulosekranke natürlich immer auch noch die anderen Patienten angesteckt.

Gmögig: Das ist, notabene, dank Spendengeldern für unseren Verein möglich geworden. Das beispielhaft die Wichtigkeit von Spendengeldern für unseren Verein.

Mami: Weiter viele Lungenentzündungen, Hirnhautentzündungen, Brechdurchfälle. Die Unterernährung ist ein zusätzliches Problem und die daraus folgende Avitaminose, dann aber auch Adipositas und Diabetes-Erkrankungen. Bluthochdruck und Schlaganfälle sind weitere häufig auftretende Probleme.

Saintex: Wir haben zudem täglich operiert. Sehr viele Abszesse und auch viele Amputationen, vor allem Zehen, Füsse und Finger. Oft waren es anfänglich nur kleine Verletzungen, die sich die Leute im Urwald zugezogen haben und dann unbehandelt liessen. Bis sie bei uns waren, waren die Gliedmassen schwarz. Das einzige, was man noch tun konnte, war diese operativ zu entfernen.

 

Was müssen wir uns unter kleinen Verletzungen vorstellen, die dann zu einer Amputation führen können?

Saintex: Ein unbehandelter Mückenstich kann ausreichend sein. Wenn ein solcher nicht desinfiziert und abgedeckt wird, kann sich beim vorherrschenden feucht-warmen Klima innert 24 Stunden ein «pfunds»-Abszess bilden.

Gmögig: Mir ist das selber auch passiert. Ich habe mir am Fuss eine kleine Schürfung zugezogen, kaum einen Zentimeter lang. Ich dachte mir nichts dabei. In der Schweiz würde ich sowas gar nicht beachten. Am nächsten Tag hatte ich da eine Kugel in der Grösse eines Tennisballs, voll mit Eiter. Da erschrak ich dann doch ein wenig. Und mein Vater hatte noch einen Eingriff mehr zu leisten an diesem Tag … 

Mami: Ein harmloser indes. Wir haben viel Schlimmeres gesehen. Verbrennungen und Verbrühungen beispielsweise. Es wird am offenen Feuer gekocht. Die Feuerstelle bildet das gesellschaftliche Zentrum mehrerer Familien. Besonders Kinder, die Töpfe mit siedendem Wasser umstossen, sind leider oft und schwer betroffen. Vor Ort haben die Leute dann versucht, die Wunden mit Bananenblätter und Vulkanerde abzudecken – und verursachten damit wirklich schlimme Infekte.

Wie erging es euch gesundheitlich?

Mami: Wir selbst hatten Glück – abgesehen von einer heftigen Magen-Darm-Entzündung hatten wir nie etwas Ernsthaftes. Aber: Nach diesen zwei Jahren waren wir damals komplett erschöpft. 365 Tage im Jahr im Dienst, Tag und Nacht. Wir hatten 550 Geburten im Jahr begleitet. Das ist mehr als im Kantonsspital Fribourg! Wir haben auch sehr viel Gewicht verloren, weil die Ernährungslage schwierig ist..

Saintex: Wir haben uns hauptsächlich von Reis aus China ernährt, und Fisch. Aber frischen Fisch gab es nur selten, meist gab es einfach Tuna aus der Dose. Dazu Bananen, Kürbis und Papaya. Kein Fleisch, keine Milchprodukte

 

Wann seid Ihr in die Schweiz zurückgekehrt?

Mami: Das war 2019. Eigentlich nur, um Material und Spenden zu holen. Wir wollten zwei, drei Monate später wieder zurück nach Munda – doch dann kam Corona …

Saintex: Australien und auch die Inselstaaten liessen niemanden rein. Wir waren die ganze Zeit in Wartestellung. Mit dem ersten Flugzeug flogen wir wieder runter. Das war am 1. Juli 2022 – der Tag, an dem Australien für die Weiterreise öffnete.

 

Auch jetzt, 2024, seid ihr wieder in der Schweiz. Wart ihr dazwischen weitere zwei Jahre auf den Salomonen?

Mami: Nein. Wir beschränken uns seither auf Besuche nur noch alle ein, zwei Jahre. Für ein paar Wochen jeweils. Das ist auch körperlich nicht mehr ganz so belastend. 

Saintex: Unser Einsatzgebiet ist jetzt hier in Europa. Das liegt an unseren Kindern und bald auch Enkelkindern. Wir wollen für sie da sein. Sonst wären wir wohl eher auf den Salomonen, denn da hört die Arbeit nie auf. Es gäbe noch so viel zu tun. Aber jetzt sind wir hier.

Gmögig: Die Arbeit hier ist auch sehr wichtig: Vorträge halten und Spenden sammeln, auch Sachwaren wie Medikamente und dergleichen. Ausserdem Leute rekrutieren, und dann vor Ort vermitteln bzw. sinnvoll einsetzen lassen.

 

Wie funktionieren solche Abläufe wie die Verteilung von Gütern, wenn ihr nicht vor Ort seid? Wie läuft die Zusammenarbeit mit den lokalen Fachkräften und den Behörden?

Saintex: Wir stehen in einem regen Kontakt und Austausch mit dem Fachpersonal vor Ort und mit den Verantwortlichen in der Politik. Wichtig, damit wir von hier aus wirken können, war eben auch, dass wir Connections zu wichtigen politischen Entscheidungsträgern haben aufbauen können. Wenn das Projekt etwas benötigt, so können wir das nun am richtigen Ort platzieren. In Zusammenarbeit mit dem lokalen Gesundheitsministerium wurden dann auch Fachkräfte zu uns geschickt, die bereits gut ausgebildet und vor Ort tätig waren, die jetzt das Spital weiterführen. Die Kontinuität ist also gegeben. Mit ihnen stehen wir in engem Kontakt und befinden uns in einem stetigen Austausch.

Gmögig: Das Helena Goldie Hospital wurde durch unser Projekt zu einem Ausbildungsort für medizinisches Pflegepersonal, auch für Ärztinnen und Ärzte. Von da aus, wie eine Art Basisstation, haben meine Eltern dann noch quasi Aussenstationen und Projekte aufgebaut und betreut. Wir haben inzwischen Fachpersonal vor Ort, welches uns die verschiedenen Bedürfnisse anmeldet und sagt, an welchen Standorten welche Prioritäten liegen; das funktioniert, weil wir mit Leuten arbeiten, die unser vollstes Vertrauen haben.

 

Wann ist euer nächste Reise nach Munda geplant?

Saintex: Im Oktober, November dieses Jahres (2024). Da geht es dann einerseits darum, Material zu liefern. Und darum, die Abläufe im Spital in Munda und in den verschiedenen Aussenstationen zu supervisieren. Und natürlich auch um Freundschaften zu pflegen.

 

Dann sind vor Ort auch echte Freundschaften gewachsen, die sich über die Distanz halten?

Saintex: Wir wurden von den Einheimischen in ihre Gemeinschaft aufgenommen, wir gehören jetzt zu ihnen. Wir könnten jederzeit dort leben und wir würden da als Einheimische gelten. Und wir haben sie unter vielen Tränen verlassen. Sie liessen uns auch nicht gerne gehen. 

Mami: «Come home!», haben sie uns immer wieder gesagt, «come home!». Wir haben auch weiterhin regelmässig, sicher einmal die Woche, Kontakt über Messenger-Dienste. Und dabei ist es ja doch schon wieder anderthalb Jahre her seit unserem letzten Aufenthalt. Jetzt freuen sie sich sehr, dass wir bald wieder kommen. Und wir uns ebenso!

Apropos Freundschaft: Welche Rolle spielt der StV für euch? Fürs Projekt und generell?

Saintex: Wir sind eine StV-Familie, alle fünf Familienmitglieder sind im StV. Mit unserer permanenten Präsenz im Verein haben wir immer auch wieder Leute für das Projekt gewinnen können und Leute auf die Salomonen gebracht, wie zuletzt das Ehepaar Furrer, also der Rauracher Turm und seine Frau Ruth (vgl. Text am Schluss des Artikels). Auch von der AKV Neu-Romania waren schon vier bzw. fünf Leute unten. Die haben uns sehr geholfen, als wir auch vor Ort waren.

Gmögig: Einer von den fünf war ich, mit vier Verbindungsfreunden.  Uns hat das enorm zusammengeschweisst, das waren wunderschöne Freundschaftserlebnisse. Dann haben wir uns für eine gute Sache eingesetzt mit unserem Einsatz vor Ort. Ich würde das der Tugend zurechnen.

Saintex: Und wie die Verrückten haben die geackert …

Gmögig: Der Aspekt der Wissenschaft kommt für mich auch noch zum Tragen. Ich meine, ich bin ja Jurist, kein Mediziner. Trotzdem haben wir halbtags auch medizinische Arbeit geleistet, Verbände gewechselt und Visiten gemacht. Den Rest des Tages haben wir renoviert, also handwerklich gearbeitet. Auch enorm viel dazugelernt. Wir waren entsprechend stolz, dass wir uns mit dem Neu-Romanen-Zirkel in einem Balken unter der Decke haben verewigen dürfen.

Mami: Der Zirkel ist natürlich immer noch da. Jeder, der das sieht, weiss: Das Spital auf Munda wurde renoviert von StVern.

 

Hat der Schw. StV gewisse Werte in eurer Familie in besonderer Weise geprägt?

Saintex: Die meisten Werte, die der StV pflegt und verkörpert, die waren schon in uns angelegt, sind uns in unserer Erziehung mitgegeben worden. Etwa der karitative Gedanke ist tief in uns drin. Wir wollten einfach etwas zurückgeben von dem Glück, dass wir 35 Jahre unsere Praxis haben betreiben dürfen, mit tollen Mitarbeitenden und lieben Patientinnen und Patienten. Wir waren immer glücklich und durften all die Jahre viel Schönes erleben.

Mami: Und eine wundervolle Familie haben wir und alle durften gesund bleiben. Ja, da wollen wir auch etwas zurückgeben. Was uns aber der StV in besonderer Weise gelernt hat: die Offenheit, auf Leute zuzugehen und mit neuen Leuten sehr schnell tiefe und gute Gespräche zu haben. Ich finde, das ist etwas Einzigartiges im StV. Diese Offenheit, Direktheit und Ehrlichkeit, Probleme auch deutlich anzusprechen.

 

Euer Engagement dauert nun schon beinahe zehn Jahre. Was seht ihr, wenn ihr aus das bisher Geleistete zurückschaut?

Mami: Es ist uns einfach wichtig, dass wir ein Spital mit einem gewissen Renommee haben hinterlassen können; eines, das jetzt die Standards in der Region setzt. Und die Leute diese Standards nun auch zunehmend einfordern. Weiter, dass über die einheimischen Fachkräfte eine Kontinuität der erwirkten Verbesserungen sichergestellt ist, das ist uns ungeheuer wichtig. Und auch, dass die Leute jetzt mit Freude und Motivation zur Arbeit kommen, weil sie mehr Sinnhaftigkeit und Erfolge erleben. Für mich ist das einer der grössten Erfolge des Projekts R4C.

 

Und was für Gefühle löst das in euch aus?

Saintex: Zufriedenheit.

Mami: Und eine grosse Dankbarkeit dafür, wie wir aufgenommen wurden, einen Teil ihrer Gemeinschaft haben werden dürfen und es immer noch sind. Aber auch dafür, wie unser Engagement angenommen und wertgeschätzt wurde. 

Schwere und zunächst falsch behandelte Verbrennungen, gerade bei Kindern, sind leider keine Seltenheit. (Foto: zVg)

«Ruckstuhl4Charity»: Einen Beitrag leisten

«Ruckstuhl4Charity» (R4C) ist ein steuerbefreiter, gemeinnütziger Verein, der sich ausschliesslich über Spenden finanziert. Geld sowie Materialspenden fliessen direkt in die Gesundheitsprojekte auf den Salomonen und versickert nicht in Verwaltungs- und Lohnkosten der Organisation. 

Im Moment sind die verschiedenen Standorte auf den Salomonen mit den wichtigsten Einrichtungen und Gerätschaften versorgt. Woran es aber immer mangelt, sind medizinische Verbrauchsmaterialien: Kleinere Gerätschaften und Instrumente, Blutzuckermessapparate und die passenden Streifen, Operationsbesteck, Medikamente, Verbandsmaterial, Blutverdünner. Ein ewiger Kostentreiber ist zudem die Instandhaltung der technischen Geräte vor Ort. Besonders angesichts der schwierigen klimatischen Bedingungen. 

Ein besonderer Kostenfaktor momentan sind die hohen Frachtpreise. Die Umschiffung des Suezkanals aufgrund drohender Attacken durch Huthi-Rebellen hat zu einer Kostensteigerung von rund 80 % geführt. Ein Container kostet inzwischen 20 000 Franken (vorher 12 000). Und schon der Versand einer Zügelkiste beläuft sich auf 300 bis 350 Franken.

Geld und Hilfsgüter sind daher immer sehr willkommen. Hier geht's zur Website. 

Vier Neu-Romanen im Einsatz vor Ort (v.l.n.r.): Spion, Garant, Gmögig und Saintex.

Furres auf Malalita

Über gemeinsame Kontakte innerhalb des Schw. StV erfuhr das Ehepaar Furrer, Ruth und Thomas v/o Turm, von dem Verein R4C. Auch sie erfüllten sich damit einen jahrzehntealten Traum, das in der Schweiz erworbene Wissen auf einem anderen Weltteil anwenden und weitergeben zu können. Der Rauracer Turm führte viele Jahre die Dorfpraxis in Sarmenstorf. Ruth arbeitete als medizinische Praxisassistentin. Nach ihrer Pensionierung setzten sie sich mit Chantal (v/o Mami) Erhard (v/o Saintex) Ruckstuhl in Verbindung. Über deren Vermittlung landeten sie schliesslich in Auki auf der Salomoneninsel Malalita, wo sie ein halbes Jahr im lokalen Spital arbeiteten. 

Im Gegensatz zu anderen Spitälern, die gänzlich von Pflegepersonal betrieben werden, gibt es im Kilu’ufi Hospital in Auki Ärzte. Trotzdem waren die Zustände, die sie bei ihrer Ankunft vorfanden, katastrophal. Das lag besonders daran, dass es an allem mangelt: Medikamente, medizinische Gerätschaften, sterile Instrumente, Hygienemassnahmen. Weil die Wege lang und beschwerlich sind, meiden viele Einheimische den Besuch im Spital – oft, bis es zu spät ist. Amputationen und Todesfälle sind nicht selten die Folgen auch anfangs scheinbar kleiner Verletzungen und Entzündungen. Auch die weitverbreitete Tuberkulose wird häufig zu spät behandelt. 

Nach sechs Monaten körperlich und seelisch belastender Schwerarbeit sind die Furrers wieder in die Schweiz zurückgekehrt. Nebst einiger Souvenirs nahmen sie vor allem viele Erfahrungen mit nachhause – aber auch die Freude, vor Ort etwas bewirkt zu haben, Wissen vermittelt zu haben und Menschen in schwierigen Situationen beigestanden zu haben. Ruth, die auf der Geburtenabteilung tätig war, hat vielen Frauen und ihren Kindern geholfen. Die Dankbarkeit war gross, gleich fünf Mädchen auf Malalita tragen ihr zu Ehren nun den Namen Ruth.

Der aufopfernde Einsatz von Turm und Ruth wurde von den Einheimischen sehr geschätzt und brachte ihnen Respekt sowie Vertrauen. Daraus erwuchsen auch schöne Freundschaften. Der Abschied von der Insel und ihren Menschen war daher ein tränenreicher. Doch wer weiss, vielleicht gibt es ja dereinst ein Wiedersehen der Furrers mit ihren Freunden in Auki. 

Interview geführt und verschriftlicht von Andreas Waser v/o Loop

 

«Ruckstuhl4Charity»: Einen Einsatz leisten

Wollt ihr selber einen Einsatz auf den Salomonen leisten? Naht die Pension und ihr würdet gerne noch euer Wissen und eure Erfahrungen weitergeben? Dann meldet euch bei Gmögig, Mami oder Saintex! Das Kontaktformular findet ihr auf der Webseite ruckstuhl4charity.com.

Unter bestimmten Bedingungen sind auch Einsätze von Studierende der Medizin oder von Pflegepersonal in Ausbildung möglich. Dazu müssen aber die Betreuungsmöglichkeiten vor Ort gegeben sein, was nicht immer der Fall ist. Interessierte können sich trotzdem mit den Ruckstuhls in Verbindung setzen.

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