Titelbild zum Artikel Das «Zofinger Urteil» – Welche Auswirkungen zeitigt dieses für den Schw. StV?

Illustration, die zwei Zofinger darstellt. (Bild: zVg)

15.11.2025

Das «Zofinger Urteil» – Welche Auswirkungen zeitigt dieses für den Schw. StV?

Die Waadtländer Sektion der Zofingia wurde vom Bundesgericht wegen seiner ausschliessich männlichen Mitgliedschaft abgestraft. Schützt die Mitgliedschaft von Frauen den Schweizerischen Studentenverein vor einem ähnlichen Schicksal? Das ist alles andere als sicher.

Valentine Tschümperlin v/o Ginny 

 

Es wird niemandem entgangen sein, zumindest nicht im Schweizerischen Studentenverein (Schw. StV), dass das Bundesgericht (BGer) am 25. März 2025 zwei Urteile gefällt hat, die die Studentenverbindung Zofingia betreffen. Beide betreffen die Nichtanerkennung der Waadtländer Sektion der Zofingia, die eine an der Eidgenössischen Technischen Hochschule Lausanne (EPFL; Urteil BGer 2C_72/2024), die andere an der Universität Lausanne (Unil; Urteil BGer 2C_441/2024). Angesichts ihrer möglichen Auswirkungen auf unsere Sektionen haben diese Urteile zu vielen Diskussionen an den Stammtischen geführt und werden dies auch weiterhin tun. Zumal ich von 2019 bis zum Frühjahr dieses Jahres als Gerichtsschreiberin in den Diensten der internen Beschwerdekommission der ETH (ETH-BK) gestanden bin und in dieser Funktion mit der Erarbeitung des erstinstanzlichen Beschwerdeurteils betraut war, erlaube ich mir an dieser Stelle meinen Beitrag zur Diskussion zu leisten. Diesbezüglich möchte ich daher einige Überlegungen aufzeigen, die vielleicht dazu beitragen können, die Debatte besser einzuordnen und gleichzeitig zu erweitern. 

 

Das Urteil von 2014

Mit BGE 140 I 201 hat das Bundesgericht 2014 ein Urteil gefällt, das von Vereinsmitgliedern aller Couleur bis vor kurzem hochgejubelt wurde. In diesem viel diskutierten Urteil musste das Bundesgericht einen Konflikt zwischen Grundrechten klären, nämlich zwischen der Vereinigungsfreiheit (Art. 23 BV) einerseits und der Gleichstellung der Geschlechter (Art. 8 Abs. 3 BV) andererseits. Das Bundesgericht hat in der Quintessenz damals beschlossen, dass sich die Universität Lausanne nicht auf ihre Verpflichtung zur Förderung der Gleichstellung der Geschlechter im Bildungsbereich berufen könne, um der Zofinger Sektion der Waadt die Anerkennung als Universitätsvereinigung zu verweigern, einzig weil die Sektion Frauen von der Mitgliedschaft ausschloss. Bei der Prüfung der Verhältnismässigkeit im engeren Sinne gemäss Art. 36 Abs. 3 BV, also der letzten Stufe der gerichtlichen Kontrolle, schloss das Bundesgericht auf eine derart untergeordnete Bedeutung der Vorteile der Zofingia, dass sich eine Nichtanerkennung des Vereins nicht rechtfertige. Hinzu trat gemäss der bundesgerichtlichen Beurteilung, dass die Universität Lausanne über andere, weniger einschneidende Mittel verfügte, um ihre Gleichstellungsziele zu erreichen. Unter Berücksichtigung aller vorliegenden Elemente war es daher der Ansicht, dass das Interesse der Waadtländer Sektion von Zofingen an der Anerkennung durch die Universität gegenüber den Gleichstellungsbestrebungen der Unil Vorrang haben müsse. 

Das Komitee des Frühjahrssemester 2021 der Waadtländer Sektion der Zofingia vor dem Logo der EPFL.

Die Änderung der Rechtsprechung

Im August 2020 bzw. im September 2022 haben die EPFL und die Universität Lausanne erneut abgelehnt, die Zofingia Waadt als akkreditierte Vereinigung ihrer Institution anzuerkennen. In Anlehnung an das BGE 140 I 201 haben die ETH-BK und das Bundesverwaltungsgericht (BVGer) im Fall der EPFL und das das Kantonsgericht Waadt im Fall der Universität Lausanne die Beschwerde der Waadtländer Sektion der Zofingia gegen diese Entscheidungen gutgeheissen (vgl. Anmerkung 1). 

Insbesondere in der Entscheidung der ETH-BK vom 1. Juli 2021, an deren Ausarbeitung ich beteiligt war, wurden bei der Prüfung der Verhältnismässigkeit im engeren Sinne die beteiligten Interessen eingehend abgewogen. Die Beschwerdekommission hob insbesondere hervor, dass die Zofingia Waadt eine lange Tradition habe und für den Kanton Waadt von historischer Bedeutung sei, zumal diese zur Gestaltung der kantonalen Institutionen beigetragen habe. In diesem Sinne könne die Zofingia daher nicht mit jedem anderen Verein verglichen werden, der Frauen die Mitgliedschaft verwehre, und seine Anerkennung stelle keinen Freibrief für andere Vereine dar, Frauen nicht aufzunehmen. Die ETH-BK betonte auch, dass es gleichwertige Angebote für Frauen gebe, insbesondere ausschliesslich weibliche Studentenverbindungen, von denen einige von der Zofingia gegründet wurden und weiterhin unterstützt werden.

Die ETH-BK kam letztlich zu dem Schluss, dass eine Nichtanerkennung der Zofingia Waadt die Situation der Frauen an der EPFL, wenn überhaupt, nur symbolisch verbessern würde, während sie umgekehrt konkrete und schwerwiegende negative Auswirkungen auf die Sektion hätte, deren Sichtbarkeit und damit ihr mittel- und langfristiges Überleben gefährdet wären. 

Das Bundesgericht, das mit den jeweiligen Beschwerden der EPFL und der Unil befasst war, musste sich also zehn Jahre später erneut mit der Frage der Anerkennung der Zofingia Waadt befassen. Und nun kam es zum Paukenschlag! Am 25. März dieses Jahres beschloss das Bundesgericht unter Berufung auf einen Wandel der Umstände seine Rechtsprechung zu ändern: Künftig sollen die EPFL und die Universität Lausanne nicht mehr verpflichtet werden können, einen Verein anzuerkennen, dessen Statuten eine Ungleichheit der Geschlechter festschreiben, die nicht durch die von diesem Verein verfolgten Ziele gerechtfertigt ist. Das Bundesgericht begründet diese Entscheidung mit der Kritik der Rechtslehre an seinem Urteil BGE 140 I 201 sowie mit der Tatsache, dass die Bedeutung, die der Gleichstellung der Geschlechter und ihrer Verwirklichung in allen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens beigemessen wird, zugenommen habe. Zur Untermauerung seiner Aussagen nennt es als Beispiele die Einführung des Vaterschaftsurlaubs und der Ehe für alle, die Ratifizierung des Übereinkommens des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt sowie die Strategie Gleichstellung 2030 des Bundesrats (vgl. Anmerkung 2).

Die 2017 etablierte «Me Too»-Bewegung sowie der Frauenstreik von 2019 haben ebenfalls zu diesem Entscheid beigetragen. Diese sozialen Bewegungen haben meiner Meinung nach eine entscheidende Rolle bei der Bewusstseinsbildung und der Positionierung der Richter gespielt – bzw. bei der Positionierung, die das Bundesgericht einnehmen darf. Nun könnte man an dieser Stelle sicherlich eine hitzige Debatte über die Politisierung der Bundesrechtsprechung eröffnen und gegen den grassierenden «Wokismus» auf allen Ebenen wettern. Immerhin wird Letzterer gerne und schnell als Ursache allen Übels in der Gesellschaft erkannt. Dabei darf man jedoch nicht vergessen, dass der Kampf für die Gleichstellung der Geschlechter nicht neu ist und dass seine Berücksichtigung durch das Bundesgericht an sich nicht nur logisch, sondern eigentlich zu begrüssen ist. Vor allem muss wohl aber festgehalten werden, dass sich die Rechtsprechung so schnell nicht wieder ändern wird. Anstatt also über eine sich nicht so schnell wieder ändernde Situation zu klagen oder auf ein Umdenken des Bundesgerichts zu hoffen, wäre es daher ratsam zu prüfen, was diese neue Situation konkret für uns als Schw. StV bedeutet und wie wir uns am besten darauf einstellen können.

 

Die Konsequenzen

Bevor wir fortfahren, sei daran erinnert, dass das Bundesgericht jeweils über einen konkreten Fall entscheidet, in dem zwei spezifische Parteien gegeneinander prozessieren. Das bedeutet, dass unter anderen Umständen oder mit anderen Beteiligten ein abweichendes Urteil nicht ausgeschlossen ist. Wie das Bundesgericht jedoch selbst betont, orientieren sich andere Gerichte und Verwaltungsbehörden in der Regel an seiner Rechtsprechung und übernehmen deren Grundsätze (vgl. Anmerkung 3). Daher sind seine Urteile für die gesamte Schweiz von Bedeutung. 

Im vorliegenden Fall präsentieren sich die Konsequenzen wie folgt: Die Zofinger Sektion der Waadt kann künftig nicht mehr von den Vorteilen profitieren, die den von den Lausanner Hochschulen anerkannten Vereinen vorbehalten sind. Insbesondere kann die Zofingia die Räumlichkeiten der Hochschulen nicht mehr für Veranstaltungen nutzen und keine interne E-Mail-Adresse mehr für die Kommunikation mit den Studierenden auf dem Campus verwenden. Diese auf den ersten Blick oberflächlichen Folgen werden sich aber auf die Sichtbarkeit der Waadtländer Sektion der Zofingia und ihre Möglichkeiten, sich neuen Studierenden zu präsentieren, auswirken, sodass ihre Möglichkeiten zur Mitgliederwerbung stark eingeschränkt werden. Letztendlich steht der Fortbestand der Sektion selbst auf dem Spiel.

Jegliche Schadenfreude über das Schicksal unseres «Frennemies» Zofingia wäre aber fehl am Platz. In erster Linie ist wohl eher Solidarität angebracht. Der Schw. StV und die Zofingia unterscheiden sich zwar in vielerlei Hinsicht und sind Konkurrenten, wenngleich sie für Aussenstehende wahrscheinlich wie ein Ei dem anderen gleichen. Aber der eine Verein profitiert nicht von der Schwächung des anderen Vereins. Im Gegenteil, im Mikrokosmos der Studentenverbindungen ist ein Dominoeffekt zu befürchten. 

Die Gefahr bei vorliegender Rechtsprechung betrifft insbesondere die rein männlichen Verbindungen des Schw. StV, und nicht etwa nur die sieben des Blocks. Diese rein männlichen Verbindungen sind unmittelbar davon bedroht, an den Hochschulen das gleiche Schicksal wie die Zofingia zu erleiden. Darüber hinaus haben meiner Meinung nach auch unsere rein weiblichen Sektionen Grund zur Sorge. Zwar sorgen sie für ein Gleichgewicht in der Landschaft der Studentenverbindungen, was grundsätzlich aus Sicht der vom Bundesgericht hervorgehobenen gesellschaftlichen Entwicklung zu begrüssen wäre. Dennoch schliessen auch sie Mitglieder des anderen Geschlechts aus, ohne dass dies durch die in den Statuten festgelegten Ziele gerechtfertigt wäre. Es ist anzumerken, dass die Altherrenschaften, unabhängig von der Zusammensetzung ihrer Mitgliedschaft, nicht direkt betroffen sein dürften, da ihre Aktivitäten kaum von einer Anerkennung ihrer aktiven Pendants durch die Hochschulen abhängig sind.

Konkret würden entsprechende Einschränkungen unserer eigenen Sektionen weitere Schwierigkeiten bei der Personalbeschaffung bedeuten und Vorurteile befeuern, im schlimmsten Falle die Infragestellung ihres Bestandes bedeuten. Diese Sorgen sind zwar nicht grundlegend neu oder unüberwindbar. Die neue Rechtsprechung des Bundesgerichts bietet unseren Kritikern jedoch eine willkommene Grundlage, um uns Steine in den Weg zu legen. Die bundesgerichtliche Symbolik schafft auch einen gefährlichen Präzedenzfall: Die Tür ist nun offen für künftige Angriffe auf Studentenverbindungen. Das allgemeine Klima ist uns zudem nun ganz offiziell und richterlich ungünstig gesinnt. Es liegt daher an uns, Strategien zu entwickeln, um unsere Errungenschaften zu bewahren und uns an diese neue Situation anzupassen.

Fortbestand der Vereinsfreiheit

Das Bundesgericht hat in Erwägung 5 der beiden Urteile ausdrücklich betont, dass das Recht der Zofingia, unter Einhaltung der Vereinsvorschriften frei über ihre Mitgliedschaft zu entscheiden und festzulegen, welche Personengruppen ihr angehören dürfen, geschützt bleibt. Das Grundrecht auf Vereinigungsfreiheit ermöglicht es den Studentenverbindungen somit, ihre Besonderheiten beizubehalten und ihre Mitglieder weiterhin nach ihren eigenen Kriterien auszuwählen. Mit anderen Worten: Die Hochschulen können frei entscheiden, nicht alle Vereinigungen auf ihrem Campus anzuerkennen. Sie dürfen ihnen jedoch nicht ihre Ansichten aufzwingen und sich in ihre Angelegenheiten einmischen. Die Studentenvereinigungen ihrerseits können sich entweder anpassen, um «in die Norm zu passen», oder ihren Kurs beibehalten und als Folge davon ihre Nichtanerkennung akzeptieren. Frei nach dem Bonmot: «Die Freiheit der einen endet dort, wo die Freiheit der anderen beginnt». 

Vor allem hat das Bundesgericht anerkannt, dass der Ausschluss bestimmter Kategorien von Studierenden aufgrund ihres Geschlechts gerechtfertigt sein kann, sofern ein objektiver Zusammenhang mit dem legitimen Zweck des Vereins besteht (Urteil BGer 2C_72/2024, Erwägung 6.2; Urteil 2C_441/2024, Erwägung 6.3). Es ist dabei bekannt, dass Studentenverbindungen im Allgemeinen ursprünglich lediglich Männern vorbehalten waren. Ein statutarisches Ziel reiner Männerverbindungen für «die Pflege der seit Gründung der Verbindung überlieferten studentischen Tradition» könnte es diesen ermöglichen, ihre rein männliche Mitgliedschaft beizubehalten. Die Existenz von Frauensektionen könnte auf der anderen Seite beispielsweise mit der «Etablierung neuer studentischer Traditionen, die von und für Frauen konzipiert sind» begründet werden.

 

Unterstützung der betroffenen Hochschulen als Schlüssel?

Um zu erklären, was es bedeutet, eine Studentenverbindung zu sein oder um potenzielle neue Mitglieder zu einem Beitritt zu motivieren, neigen die Sektionen oft dazu, die Vorteile zu preisen, die sie ihren Mitgliedern bieten: Ratschläge von älteren Kommilitonen, Praktikumsplätze, die über ihr Alumni-Netzwerk angeboten werden, oder auch aussergewöhnliche interne Veranstaltungen. Am 25. März dieses Jahres entschied das Bundesgericht nun, dass es diskriminierend sei, einen Teil der Studentenschaft allein aufgrund ihres Geschlechts von solchen Vorteilen auszuschliessen.

Es ist daher an der Zeit, einen Perspektivwechsel vorzunehmen. Anstatt die Vorrechte zu betonen, die sie ihren Mitgliedern vorbehalten, könnten die Studentenverbindungen den Mehrwert hervorheben, den sie für die gesamte Universitätsgemeinschaft und die Gesellschaft im Allgemeinen bringen. Ihr historisches Erbe, ihr Engagement in politischen Prozessen, ihre Beteiligung an der «Folklore», beispielsweise durch die Teilnahme am Dies Academicus, sind allesamt Bereicherungen, die wir nur aufzeigen müssen. Es geht nicht darum, unsere Gewohnheiten zu ändern: Schliesslich bieten wir bereits sehr oft interessante öffentliche Vorträge mit unseren renommiertesten Alumni an. Es geht hier vor allem darum, die Art und Weise, wie wir kommunizieren, anzupassen. Wir mögen zwar weiter Teil einer Elite sein, sollten aber nicht elitär wirken. Das Ziel ist, dass jede Sektion nicht als exklusiver «Club» wahrgenommen wird, sondern als verbindender Botschafter ihrer Alma Mater. Denn eine Universität, die stolz auf ihre Studentenvereinigungen ist und ihnen dankbar ist, wird sich hüten, sie zu benachteiligen.

Hinzu tritt, dass die Hochschulen eine entscheidende Rolle bei der Anwendung der neuen Bundesrechtsprechung spielen werden. In seiner Pressemitteilung vom 5. Mai 2025 zu den Urteilen 2C_72/2024 und 2C_441/2024 hat das Bundesgericht allgemein festgestellt, dass alle Universitäten verpflichtet sind, für Chancengleichheit auf ihrem Campus zu sorgen, und dass die Gleichstellung der Geschlechter Vorrang vor der Vereinigungsfreiheit hat. Sofort brach danach Panik unter den Schweizer Hochschulen aus: Sie beeilten sich, die Bedingungen für die Anerkennung von Studentenverbindungen auf ihrem jeweiligen Campus zu überprüfen – offenbar aus Angst, in dieser Frage zu nachsichtig zu sein. Das Bundesgericht hat ihnen jedoch nicht verboten, männliche Studentenverbindungen zu tolerieren. Zwar müssen sie künftig die Gleichstellung der Geschlechter im Bildungskontext berücksichtigen. Aber die Hochschulen bleiben, wie das Bundesgericht vorgebracht hat (jeweils in E. 9.2.), autonome Institutionen, die ihre eigenen Regeln aufstellen. Insbesondere steht es ihnen frei, ihre eigenen Bedingungen für die Anerkennung von Studentenvereinigungen festzulegen, die sich von denen der Universität Lausanne und der EPFL unterscheiden können.

Die Hochschulen sollten sodann den Mut haben, ihren Handlungsspielraum in dieser Frage zu nutzen. Als Beispiel sei hier die Haltung von Katharina M. Fromm, Rektorin der Universität Freiburg, genannt, die sich offen für Studentenverbindungen einsetzt. Sie nahm insbesondere an der «Ehrendoktor-Kneipe» der AKV Alemannia zu Ehren von Alexandre Fasel v/o Heuer im Mai 2025 teil und wurde im vergangenen Oktober Ehrenmitglied der SA Sarinia. Dies ist auch eine Gelegenheit, die grundlegende Rolle hervorzuheben, die unsere Altherrenschaften bei der Entwicklung ihres Netzwerks und dem Aufbau guter Beziehungen zu den höchsten universitären Instanzen spielen können.   

Sind die Zentralstatuten eine Unterstützung? 

Die Sektionen des Schw. StV haben das Glück, im Gegensatz zur Zofingia auf die Zentralstatuten verweisen zu können, zumal diese in Bezug auf das Geschlecht nicht diskriminierend sind. Sollte die Zusammenarbeit einer Männer- oder Frauensektion mit einer Hochschule so schwierig werden, dass es keine Alternative mehr gibt, hätte die betreffende Verbindung somit immer noch die Möglichkeit, unter dem Namen des Schw. StV aufzutreten. Dies hätte den klaren Nachteil, dass sie ihre Besonderheiten zugunsten der gemeinsamen Werte unseres Dachverbands glätten müssten und in administrativen Belangen eng mit dem Zentralvorstand zusammenarbeiten müssten. Es wäre sogar denkbar, dass mehrere Sektionen dazu aufgefordert würden, so zu handeln und eine gemeinsame Front zu bilden – mit allen damit verbundenen Herausforderungen für die Koordination zwischen den Komitees. 

Die Zentralstatuten des Schw. StV bergen jedoch eine andere Schwäche (vgl. Anmerkung 4): In Artikel 9 legen sie die Zugehörigkeit zu einer christlichen Kirche als Voraussetzung für die Mitgliedschaft fest. Ich bin mir jedoch nicht sicher, ob die Verweise auf die christlichen Grundsätze und das Erbe der katholischen Kirche in Art. 2 der Zentralstatuten ausreichen, um dieses Aufnahmekriterium im Hinblick auf das darin beschriebene statutarische Ziel, nämlich den Aufbau des Staates und der Gesellschaft sowie die Förderung von Wissenschaft und Forschung, zu rechtfertigen. Es sei übrigens darauf hingewiesen, dass der SA Lémania, obwohl sie gemischt ist, aufgrund des Kriteriums des Christentums bereits die Anerkennung durch die Universität Luzern verweigert wurde. Vielleicht wäre dies eine Gelegenheit, eine reflektierte und ehrliche Debatte über eine bevorstehende Änderung der Zentralstatuten anzustossen?

 

Eine Anpassung – gemeinsam 

Es zeigt sich, dass die bevorstehenden Herausforderungen sich nicht auf die Frage des Geschlechts unserer Mitglieder beschränken. Unsere Traditionen werden oft missverstanden oder gar nicht wahrgenommen. Sie kommen in einer Welt schlecht an, in der der Ruf nach Toleranz paradoxerweise zu Formen der Intoleranz führt. Das Bundesgericht hat sich an neue Umstände angepasst. Es liegt an uns, dasselbe zu tun, wie wir es bereits in der Vergangenheit getan haben, ohne unsere Identität oder unsere Werte zu verraten. Und wir müssen gemeinsam handeln. Denn was eine unserer Sektionen betrifft, betrifft uns alle. Lasst uns Ratschläge und Erfahrungen austauschen, gemeinsam über Lösungen nachdenken, geschickt kommunizieren, uns als Studentenverbindungen auszeichnen – und vor allem die Vereinigungsfreiheit, die wir weiterhin geniessen, voll ausschöpfen. 

Anmerkungen: 
1) Die Rekurskommission der Universität Lausanne hat hingegen die Beschwerde der Zofingia Waadt erstinstanzlich abgelehnt.
2) BGer 2C_72/2024 vom 25.03.25, E. 8.1 ff.; BGer 2C_441/2024 vom 25.03.25, E. 8.1 f.
3) Webseite des Bundesgerichts, https://www.bger.ch/fr/index/federal/federal-inherit-template/federal-rechtspflege.htm, am 1. November 2025 eingesehen.
4) Aufgrund der Verweigerung des Zofinger Centralausschusses, die Zentralstatuten zur Verfügung zu stellen, war es nicht möglich, einen Vergleich in dieser Angelegenheit vorzunehmen.

 

Ad personam
Valentine Tschümperlin v/o Ginny ist Mitglied der SG Agaunia und der AV Waldstättia, wo sie im Vorstand der Alt-Waldstättia sitzt. Sie ist auch Mitglied der Traduction-Gruppe der CIVITAS und der BPK. Sie ist zugelassene Rechtsanwältin und hat ein CAS in Rechtspflege und Staatsrecht und ist als Hauptschreiberin beim Friedensgericht Glâne tätig. 

Übersetzt von Dominic E. Tschümperlin v/o Herr

 

Fotos: Zofingue Vaud.

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