Titelbild zum Artikel «Wir müssen die Konsequenzdebatte führen»

SR Daniel Jositsch, SR Andrea Gmür-Schönenberger, Moderatorin Maria-Rahel Cano, Georg Häsler und Philipp Mazenauer. (Foto: Andreas Waser v/o Loop)

18.10.2024

«Wir müssen die Konsequenzdebatte führen»

Am 16. Oktober 2024 lud die ­Politische Kommission des Schw. StV ins Bundeshaus. Im Rahmen ­eines Podiums stand die Rolle der Schweiz im UNO-Sicherheitsrat zur ­Diskussion.

Text: Basil Böhni v/o Medial
Fotos: Andreas Waser v/o Loop

 

Innert 24 Stunden waren alle verfügbaren Plätze des Anlasses der Politische Kommission des Schw. StV ausgebucht. Kein Wunder, denn auf dem Programm stand nicht nur eine Führung durch die Räumlichkeiten des Bundeshauses, sondern auch ein Podiumsgespräch zum Thema «Wie wirkt die Schweiz im UNO-Sicherheitsrat?». Auf dem Podium sassen Ständerätin Andrea Gmür-Schönenberger, Präsidentin der Sicherheitspolitischen Kommission, Ständerat Daniel Jositsch v/o Malz, Mitglied der Aussenpolitischen und der Sicherheitspolitischen Kommission, und Georg Häsler, Sicherheitsexperte der NZZ und Oberst in der Schweizer Armee. Maria-Rahel Cano v/o Nivalis, Bundeshausjournalistin und Redaktorin des Nebelspalters, übernahm die Moderation.

 

Einwärmen mit einer Bundeshausführung 

Die knapp 60 angemeldeten StVerinnen und StVer versammelten sich am 16. Oktober 2024 um 17 Uhr auf dem Bundesplatz. Nach rund einer halbstündigen Sicherheitskontrolle beim Besuchereingang des Parlamentsgebäudes wurde allen Teilnehmenden – nach Austrinken aller Wasserflaschen – Einlass gewährt und die Bundeshausführung konnte starten. Unser fachkundiger «Tourguide» war niemand geringeres als Ständerat Peter Hegglin v/o Raps. Die Führung führte durch die imposante Kuppelhalle mit dem Denkmal der drei Eidgenossen, in die Ratssäle und in die Wandelhalle – Hegglin v/o Raps wusste viel Spannendes zum Parlamentsbetrieb und zur Bundeshaus-Geschichte zu erzählen. Davon, dass die verwendeten Baumaterialien zu 95 Prozent aus der Schweiz stammen, dass die vier Landsknechte bei den Treppenaufgängen in der Kuppelhalle die vier Landessprachen verkörpern, oder dass im 1,5 Tonnen schweren Leuchter an der Decke des Ständeratssaals Notizen aus vergangenen Zeiten gefunden wurden, die Berufskollegen aus früheren Jahren in den Hohlräumen des Lüsters versteckt hatten. 
Nach etwas mehr als einer Stunde und zahlreichen Treppenstufen führte Hegglin v/o Raps die Anwesenden in einen der höher gelegenen Konferenzräume, wo Ständerat Daniel Jositsch v/o Malz alle händeschüttelnd begrüsste. Nun stand die Podiumsdiskussion bevor, wobei nachfolgend etwas genauer auf die UNO, den UNO-Sicherheitsrat und die Rolle der Schweiz eingegangen werden soll.

Die UNO und der UNO Sicherheitsrat 

«Wir wollen keinen Krieg mehr.» Das war der Leitgedanke für die Gründung der UNO nach dem Zweiten Weltkrieg. Die Mitgliedstaaten einigten sich auf gemeinsame Regeln. Diese sind in der UNO-Charta niedergeschrieben. 193 Staaten sind mittlerweile Mitglied der UNO. Die UNO engagiert sich mit ihren zahlreichen Spezialorganisationen, Fonds und Programmen für internationale Sicherheit, Konfliktlösung, Abrüstung, nachhaltige Entwicklung sowie Menschenrechte und Schutz der Zivilbevölkerung. Der UNO-Sicherheitsrat hat den Auftrag, den Weltfrieden und die internationale Sicherheit zu wahren. Er bemüht sich um eine Streitbeilegung durch Vermittlung und Verhandlungen. Er kann aber Zwangsmassnahmen in Form von Sanktionen beschliessen. Als letztes Mittel könnte er eine militärische Intervention bewilligen, um den Frieden zu sichern.

Der UNO-Sicherheitsrat hat gegenwärtig 15 Mitglieder. Die ständigen Mitglieder China, Frankreich, USA, Russland und Grossbritannien stellen je ein Mitglied und haben ein Veto-Recht. Die übrigen zehn Sitze gehen an die nichtständigen Mitglieder, die nach einem bestimmten Regionalschlüssel jeweils für zwei Jahre von der Generalversammlung gewählt werden. 2022 hat die UNO-Generalversammlung die Schweiz in den UNO-Sicherheitsrat gewählt.

 

Die Schweiz im UNO-Sicherheitsrat 

Auf der Website des EDA steht dazu folgendes: 2002 trat die Schweiz der UNO bei. 2011 reichte sie ihre Kandidatur für einen zweijährigen, nichtständigen Sitz im UNO-Sicherheitsrat ein. Am 9. Juni 2022 wählte die UNO-Generalversammlung die Schweiz für die Periode vom 1.1.2023 bis 31.12.2024 in den UNO-Sicherheitsrat. In den Monaten Mai 2023 und Oktober 2024 hatte die Schweiz den Vorsitz im Sicherheitsrat inne. Laut Bundesverfassung trägt die Schweiz u. a. zum friedlichen Zusammenleben der Völker bei und fördert eine gerechte internationale Ordnung, was mit den Zielen der UNO übereinstimmt. Stabilität und klare internationale Regeln sind wichtig für ein exportorientiertes Land wie die Schweiz. Die Schweiz setze sich im Sicherheitsrat unter anderem für einen nachhaltigen Frieden, den Schutz der Zivilbevölkerung, die Klimasicherheit und die Effizienz des Rats ein. Neutrale Länder wie Österreich oder Irland waren bereits im UNO-Sicherheitsrat. Die Neutralität wird als Vorteil gesehen. Sie gibt die Glaubwürdigkeit, zwischen Konfliktparteien zu vermitteln.

 

Was hat es gebracht? 

Die Zeit der nichtständigen Mitgliedschaft der Schweiz im UNO-Sicherheitsrat endet mit diesem Kalenderjahr. Die Podiumsteilnehmenden wagten ein (Zwischen-)Fazit. Für Andrea Gmür-Schönenberger eröffnete diese Mitgliedschaft der Schweiz die Möglichkeit, «sich im Rahmen der Friedensförderung noch mehr einzubringen. Sie wird als neutraler Staat anerkannt und gerade in der aktuellen, so brüchigen internationalen Lage kann sie ihre Rolle umso glaubhafter wahrnehmen.» Daniel Jositsch v/o Malz sieht das anders. Seiner Meinung nach hat die Mitgliedschaft der Schweiz im UNO-Sicherheitsrat nichts gebracht. Der Sicherheitsrat sei «ein Plaudergremium, das jeglicher Macht entbehrt und mit dem Vetorecht für die fünf ständigen Mitglieder jede Glaubwürdigkeit verloren hat.» Gmür-Schönenberger stimmt Jositsch v/o Malz bezüglich der geäusserten Kritik am Vetorecht zu, will den Sinn der geführten Gespräche indes nicht auf ein «Plaudern» reduziert sehen: «Wir müssen uns doch auch fragen, was wäre, wenn es solche Gremien wie die UNO und den UNO-Sicherheitsrat nicht gäbe? Solange man den Dialog pflegt – insbesondere in Angesicht von Krieg und Not – ist man immer besser aufgestellt. Aus geführten Gesprächen direkte Folgen abzuleiten, ist schwierig. Doch dass solche stattfinden, birgt immer Chancen.» Jositsch v/o Malz konkretisiert seine Kritik: Das Hauptproblem sieht er darin, dass der UNO-Sicherheitsrat für die aktuellen, globalen Probleme nicht mehr korrekt aufgestellt sei. Aufbau und Struktur gehen auf die Situation nach dem Zweiten Weltkrieg zurück. Diese Zusammensetzung – nur schon mit Blick auf die fünf ständigen Mitglieder China, Frankreich, USA, Russland und Grossbritannien mit ihrem Vetorecht – reflektiere die heutigen geopolitischen Gegebenheiten nicht mehr. Jositsch v/o Malz: «Als Parlamentarier habe ich mit der UNO die Erfahrung gemacht, dass jeder Staat in seinem Sinne spricht und für sich das beste Ergebnis herauszuholen versucht. Damit findet man keine Lösungen für globale Probleme. Hierfür braucht es eine neue Institution.» Dabei sieht Jositsch v/o Malz sogar die Gefahr, dass die UNO mit Untergremien wie der UNRWA sogar zusehends zum Problem beiträgt, statt solche zu lösen. Dies sieht auch Georg Häsler so, wobei die UNO jüngst auch mit der UNIFIL im Libanon eher zum Problem statt zur Lösung geworden sei, trotz aller friedensfördernden Intentionen.

Hinsichtlich der Frage, was die Mitgliedschaft im UNO-Sicherheitsrat der Schweiz gebracht hat, bringt Georg Häsler das Stichwort «Reality Check» ein: «Ich glaube, hier muss man zwei Phasen unterscheiden. In der ersten Phase – vor dem Ukrainekrieg ab 2014 – hat sich die offizielle Schweiz dazu entschieden, ihre aktive Friedenspolitik als Produkt zu präsentieren und ihre Kandidatur für einen nichtständigen Sitz im UNO-Sicherheitsrat eingereicht. Nach dem 24. Februar 2022 und mit dem Angriffskrieg Russlands hat sich die geopolitische Situation brutal geändert. In dieser zweiten Phase erfolgte nun ein ‹Reality Check›. Die Schweiz kann sich im Kontext dieser Ereignisse nicht hinter der Neutralität verstecken. Sie muss im UNO-Sicherheitsrat Position beziehen. Sie macht aussenpolitische Erfahrung in neuer Dimension und zieht die Lehre, dass sie Teil der Welt ist. Das ist vielleicht gar nicht schlecht.» 
 

Neutralität – Hilfe oder Last?

Das Beziehen klarer Positionen birgt für die neutrale Schweiz indes grosse Herausforderungen. «Wir akzeptieren eure Neutralität, aber wir verstehen sie nicht»; dies hörte Gmür-Schönenberger in den letzten Monaten oft. Insbesondere im Zusammenhang mit der ganzen Debatte rund um Waffenexporte. Jositsch v/o Malz: «Die Schweiz ist militärisch neutral, aber nicht politisch. Wir dürfen den Angriffskrieg Russlands politisch verurteilen. Aber wenn im Kampf der Ukrainer gegen die Russen Munition gefunden wird, auf der ‹Swiss Made› steht, dann können wir nicht mehr als militärisch neutral gesehen werden. Daher sind Waffenexporte in Zusammenhang mit unserem Neutralitätsprinzip so heikel.» Hier sieht Gmür-Schönenberger zwingenden Lockerungsbedarf der gesetzlichen Vorschriften: «Ein Beispiel: Wir dürfen Schutzwesten, die für zivile Einsätze gedacht sind, exportieren, indes keine Schutzwesten mit erhöhten Sicherheitsstandards, die u. a. kugelsicher sind. Beides dient dem Schutz, aber wir dürfen nur die leichten Schutzwesten exportieren. Da machen wir im Namen der Neutralität Unterscheidungen, die ich absurd finde.» Die Schweizer Neutralität beruhe auf der Haager Konvention. Darin stehe aber nirgends, dass die Schweiz ein derart rigides Kriegsmaterialgesetz haben müsse, so Gmür-Schönenberger. Diese Fesseln habe man sich selber angelegt und diese gälte es zu lockern. Hier kontert Jositsch v/o Malz: «Lockerungen ist nicht zielführend. Neutralität ja oder nein, aber bitte konsequent. Die Definition von gewissen Gütern als Kriegsmaterial ist eine gesetzliche Tatsache. Diese Einteilung ist gerechtfertigt und zu akzeptieren. Wenn wir mit unserer militärischen Neutralität konsequent bleiben wollen, müssen wir entsprechend auf den Export solcher Güter verzichten. Eine konsequent neutrale Haltung einzunehmen, ist anstrengend und man muss es aushalten können. Wenn sich zwei Mächte kriegerisch gegenüberstehen, heisst Neutralität, dass man für niemanden Partei ergreift – ungeachtet allfälliger Sympathien – und entsprechend ist man niemandes Freund. Das ist kompliziert, anstrengend und unangenehm.» Die Neutralität bedarf also primär einer klaren und konsequenten Handhabung, und dies war insbesondere jüngst nicht mehr der Fall. Seit die Schweiz beispielsweise die Sanktionen gegen Russland übernommen hat, gelten wir in den Augen Russlands nicht mehr als neutral. Jositsch v/o Malz: «Wir waren hinsichtlich unserer Neutralität zu wenig konsequent. Die Schweiz wäre als Standort für Friedensverhandlungen eine Option, aber mit der verloren gegangenen Neutralität in den Augen Russlands sehe ich dies zumindest hinsichtlich des Ukrainekriegs aktuell als eher unwahrscheinlich. Ich habe es schon immer gesagt: Von mir aus können wir die Neutralität auch abschaffen. Dann können wir uns Gedanken machen über das wahrscheinlich beste Verteidigungskonzept für die Schweiz, nämlich eine NATO-Mitgliedschaft. Aber hierfür braucht es eine Volksabstimmung, ein Ständemehr und eine Verfassungsänderung.» 

Dies sieht auch Georg Häsler so, der damit einhergehend für eine klare, offene Diskussion plädiert: «Das wäre am ehrlichsten, wenn wir deutlich, offen und ergebnisoffen die Frage der Neutralität diskutieren würden. Wollen wir an diesem Konzept festhalten, das auf den Wiener Kongress zu Beginn des 19. Jahrhunderts und die damalige Machtpolitik Europas zurückgeht? Oder wollen wie die Schweiz weiterentwickeln, wollen wir das machen, was der Schweiz im Zuge der aktuellen globalen Entwicklungen am meisten nützen könnte?» Weiter fordert Häsler eine konsequente Haltung der Schweiz: «Wir wollten in die UNO, wir wollten in den UNO-Sicherheitsrat – und jetzt sind wir dabei und müssen entsprechend Position beziehen. Und dies alles zu einer Zeit, in der es auf europäischem Boden tatsächlich zu einer Fortsetzung von Politik mit Gewalt kommt. Damit sind wir nun konfrontiert. Deshalb müssen wir die Konsequenzdebatte führen.» Häsler erzählt von seinen Begegnungen vor wenigen Tagen an einem Podium der skandinavischen Staaten. Der norwegische Staatssekretär wies darauf hin, dass sie als NATO-Mitglied es waren, die 1993 den Oslo-Friedensprozess eingeleitet und ausgehandelt hatten; bis heute einer der weitreichendsten friedenspolitischen Bemühungen im Nahen Osten. «Das sollte uns mit unserem Neutralitätsanspruch und der damit oft genannten Vermittlerrolle zu denken geben. Wir leben wieder in Zeiten der Machtpolitik. Und für die Schweiz sehe ich hier einfach zwei Optionen: entweder die konsequente Neutralität oder ein Bündnis mit allen damit verbundenen Konsequenzen. Über diese Fragen müssen wir nun offen sprechen. Und diese Gespräche müssen ergebnisoffen geführt werden. Am Schluss geht es darum, dass wir in diesem Land einen Grundkonsens finden und dass die Diskussionen nicht gegeneinander geführt werden.»

 

Abschlussvoten 

Bevor die Moderatorin Maria-Rahel Cano v/o Nivalis die Fragerunde für das Publikum eröffnete, nutzten die Podiumsteilnehmenden die Gelegenheit, ihre Positionen abschliessend nochmals zu schärfen. Andrea Gmür-Schönenberger findet es bedenklich, dass die sicherheitspolitischen Bemühungen der Schweiz kleingeredet werden: «Wir veranstalteten die Lugano-Konferenz und es folgte die Bürgenstock-Konferenz. Russland war nicht dabei, aber über 90 Länder waren vertreten und es fanden Friedensverhandlungen statt. Wir können aktuell noch nicht abschliessend beurteilen, was aus diesen Konferenzen heraus noch entsteht und wir kennen auch nicht alle besprochenen Inhalte. Meiner Meinung nach aber waren diese Konferenzen nur schon ein Erfolg, weil miteinander gesprochen wurde, am Verhandlungstisch und abseits.» Georg Häsler fordert, dass die Schweiz eine ehrliche Diskussion führt: «Wo gehören wir dazu? Wie wollen wir unser Land schützen – Demokratie, Rechtsstaat, Menschenrechte, unsere Lebensart – und welchen Beitrag können wir hierzu leisten? Ich glaube, wenn wir weiterhin einfach sagen, dass wir neutral sind und dass wir einen Exportartikel namens Friedenspolitik haben, der zwar gut klingt, aber leider nicht allzu viel wert ist, dann belügen wir uns selbst. Es reicht nicht zu sagen, weil dies nun mehrheitsfähig scheint, dass wir einfach bisschen mehr Geld für die Armee brauchen und uns etwas der NATO annähern sollten. Ich glaube, wir müssen Diskussionen führen, die zwar weh tun, die sich aber aufdrängen – dazu gehört auch die NATO-Option.»

Daniel Jositsch bekräftig, dass die Schweiz eine klare und konsequente Haltung einnehmen muss, insbesondere hinsichtlich des Neutralitätsprinzips. «Wir können nicht ‹ein bisschen mitmachen› oder vereinzelt Lockerungen beschliessen. Entweder wir sind dabei, oder nicht. Entweder wir sind neutral, oder nicht. Konsequenz bringt uns am meisten, auch wenn sie komplex, anstrengend und unangenehm sein kann.» 

Voten aus dem Publikum und Ausklang

Im Rahmen der anschliessenden Fragerunde meldete sich Matthias Halter v/o Wengi zu Wort. Wengi arbeitet im neuen Staatssekretariat für Sicherheitspolitik und hat während den letzten zwei Jahren sämtliche Sicherheitsratsgeschäfte im VBS koordiniert. «Die UNO ist ein multilaterales Gremium mit all seinen Stärken und Schwächen. Am schweizerischen Wesen wird die Welt nicht genesen. Wir müssen mit dem arbeiten, was zur Verfügung steht. Die Schweiz hat probiert, sich entlang der aussenpolitischen Leitlinien konstruktiv einzubringen – mit Stichworten wie Konfliktprävention, Frieden, Menschenrechte, Stärkung des Multilateralismus, rechtsbasierte internationale Ordnung. Der Sicherheitsrat ist keine Plauderbude, sondern es geht um die kollektive Interessenwahrung für die Gesamtheit aller Staaten. Dies steht in der Charta.» Über das Vetorecht und eine Erweiterung des Sicherheitsrats könne man debattieren, sagt auch Wengi. Der Sicherheitsrat sei aber dennoch handlungsfähig – während der letzten drei bis vier Jahre seien jährlich mehr als 50 Resolutionen und Beschlüsse verabschiedet worden, wobei das Veto in diesem Zeitraum nur sechs bis acht Mal ergriffen worden sei. Bei diesen Beschlüssen handle es sich schwergewichtig um friedensfördernde Massnahmen. Die Frage, was die nichtständige Mitgliedschaft der Schweiz in den Jahren 2023/2024 gebracht hat, sei legitim und «Reality Check» ein gutes Stichwort. Wengi: «Wir wussten, dass wir uns zu allen möglichen politischen Fragestellungen werden äussern müssen. Wir waren nicht naiv. So haben wir zu fast allen Konflikten eine Stellungnahme abgegeben – das waren teilweise schwierige Prozesse innerhalb der Verwaltung –, wir konnten uns nicht hinter der Neutralität verstecken. Das haben wir auch im Falle der Ukraine und Israel nicht gemacht und gesagt, dass zwar ein Recht auf Selbstverteidigung besteht, aber verhältnismässig anzuwenden ist.» Was hat es nun gebracht? Es habe gezeigt, dass die Bundesverwaltung leistungsfähige sei – das sei für die Steuerzahler eine gute Nachricht. «Wir haben in der Verwaltung effizient gearbeitet und konnten uns zwischen den Departementen, vor allem dem VBS und dem EDA, stets einigen. Nur zwei Geschäfte kamen letztlich in den Bundesrat: die neue Mission in Haiti und der Status von Palästina in der UNO-Generalversammlung. Wir konnten viel lernen, und es hat ein wichtiger Know-how-Transfer rund um das effiziente Arbeiten im Umfeld des Multilateralismus stattgefunden. Die UNO und der Sicherheitsrat sind Plattformen mit all ihren Schwächen und Nachteilen, deren wir uns bedienen können und sollen.» Abschliessend erinnerte Halter v/o Wengi an die Worte des ehemaligen UNO-Generalsekretärs Dag Hammarskijöld (1953–1961): «Die UNO wurde nicht gegründet, um die Menschheit ins Paradies zu führen, sondern sie vor der Hölle zu bewahren.» 

 

Dank

Im Anschluss an das Podiumsgespräch klang der PK-Anlass bei einem reichhaltigen Apéro im Bundeshausrestaurant «Galeries des Alpes» aus. Im Nachgang luden der Philisterverband Bern und die Platzverbindungen zum Nachstamm ins Restaurant National. Es war ein eindrücklicher, engagierter, stilvoller Anlass Ein herzliches Dankeschön im Namen aller Teilnehmenden an Andrea Gmür-Schönenberger, Georg Häsler und Daniel Jositsch v/o Malz für die Podiumsteilname sowie an Maria-Rahel Cano v/o Nivalis für die souveräne Moderation. Ein Dank gebührt auch Peter Hegglin v/o Raps für die informative Bundeshausführung und den Organisatoren Cano v/o Nivalis, Philipp Mazenauer v/o Avis (Präsident der PK) und Patrick Widrig v/o Schwätz. 

Apéro im Bundeshausrestaurant «Galeries des Alpes».

Text: Basil Böhni v/o Medial

Fotos: Andreas Waser v/o Loop

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