Titelbild zum Artikel Bildungspolitische Kurznachrichten – Oktober/November 2024

Symbolbild. (© Unsplash+ | Unseen Studio)

05.11.2024

Bildungspolitische Kurznachrichten – Oktober/November 2024

Konferenz der kantonalen Erziehungs­direktorinnen und -direktoren (EDK) 

Im September hat die OECD ihren jährlichen Bericht «Education at a glance» (Bildung auf einen Blick) veröffentlicht. Die Publikation bietet Daten zu den Strukturen, der Finanzierung und der Leistungsfähigkeit der Bildungssysteme der einzelnen OECD- und Partnerländer. Die Ausgabe 2024 legt den Schwerpunkt auf Chancengerechtigkeit und untersucht Aspekte von der frühen Bildung bis zur Tertiärstufe und hin zum Übergang in den Arbeitsmarkt. Die interessierte Leserschaft kann den Bericht hier nachlesen.

 

Statistiken

So viele Kinder wie noch nie werden zu Hause unterrichtet. Der Trend seit der Coronapandemie hält an. Im aktuellen Schuljahr 2024/25 werden schweizweit fast doppelt so viele Kinder im Homeschooling unterrichtet wie noch vor vier Jahren. Während einige Kantone wie Basel-Stadt oder St. Gallen nur sehr selten Bewilligungen aussprechen, steigen die Zahlen unter anderem in Bern und Zürich kontinuierlich an. Viele Fachleute sehen den Trend kritisch. Zudem kritisieren sie, dass nicht in allen Kantonen eine pädagogische Ausbildung für Homeschooling verlangt wird. (Tages-Anzeiger, 11.10.2024). 

Nachtrag: Der Kanton Neuenburg hat anfangs November das Homeschooling-Gesetz verschärft. Homeschooling eines Kindes wird künftig bewilligungspflichtig sein. (RTS, 5.11.2024)

 

Eidgenössisch Technische Hochschulen

Die ETH verschärft ihre Zulassungsregelungen. Sie hat erstmals Zulassungsregeln für ausländische Studierende und Forschende veröffentlicht. Bewerberinnen und Bewerber aus 23 Risikoländern werden künftig einer angepassten Sicherheitsprüfung unterzogen. Das soll unter anderem Spionage verhindern. Die Reaktionen lassen nicht lange auf sich warten: In den sozialen Medien beschweren sich chinesische Studierende, dass die ETH sie diskriminiere. Auch die chinesische Botschaft zeigt sich «schockiert». Die ETH betont, es werde niemand ausgeschlossen, aber die Zulassungskriterien für Bewerbungen aus Risikoländer seien eine wichtige Massnahme. (Tages-Anzeiger, 5.11.2024) 

 

Universitäten und (Fach-)Hochschulen  

Das Thema Studiengebühren und deren Erhöhung für ausländische und auch inländische Studierende ist seit ein paar Wochen medial präsent. Wer zukünftig an der HES-SO Valais-Wallis studieren möchte, muss mehr bezahlen. Die Studiengebühr wird von 500 Franken auf 700 Franken pro Semester angehoben. Für die ausländischen Studierenden fällt neu eine Gebühr von 1050 Franken an. Erklärung: Die Studiengebühren seien schon über zehn Jahre nicht mehr erhöht worden. Das zusätzliche Geld soll in akademische und pädagogische Entwicklungen investiert werden. Davon würden auch die Studierenden profitieren. Etwa in Form von neuen Programmen oder besseren Zukunftsmöglichkeiten auf dem Arbeitsmarkt. Auch an anderen Hochschulen und Fachhochschulen wurden oder werden die Studiengebühren erhöht (Walliser Bote, 24.10.2024)

In der Medizin herrscht Fachkräftemangel, und das nicht zu knapp. Es wird debattiert über eine allfällige Abschaffung des Numerus clausus und es wird betont, dass es wichtig sei, dass die ausgebildeten Ärztinnen und Ärzte auch im Job verbleiben würden. Mitten in der aufgeheizten Debatte präsentiert der Verband der Schweizer Medizinstudierenden swimsa nun eine überraschende Analyse: Die Zahlen, mit denen die Politik bisher rechnete, seien falsch. Anstelle der 120 000 Franken kostet eine Ausbildung rund 30 000, die restlichen 90 000 Franken seien der Pro-Kopf-Anteil an den Forschungskosten. Das sind brisante Nachrichten vor dem Hintergrund, dass nur jede/r vierte neu zugelassene Ärztin oder Arzt das Studium in der Schweiz abgeschlossen hat. Drei Viertel aller Ärztinnen und Ärzte, die hierzulande neu zu arbeiten beginnen, stammen aktuell aus dem Ausland. (Luzerner Zeitung, 18.10.2024). 

 

Mittelschulen, Volksschulen

Die Integration an Schulen bleibt ein heiss umstrittenes Thema. Die FDP Schweiz hat diverse Vorstösse in den Kantonen lanciert. Der Zürcher Regierungsrat hat sich nun aber gegen die Förderklassen-Initiative ausgesprochen. Diese verlangt, die Separation von verhaltensauffälligen Schülerinnen und Schülern solle wieder einfacher möglich sein als heute. Eine dauerhafte Separation wirke sich negativ auf junge Menschen aus. Der Regierungsrat gelangt aber mit einem Gegenvorschlag an den Kantonsrat. Dieser sieht mehr «erweiterte Lernräume» für auffällige und störende Kinder vor. Auch in anderen Kantonen wird dieser Mittelweg geprüft, u. a. mit «Schulinseln» und Konzepten für zeitlich begrenzte ­«Time-Outs». (Tages-Anzeiger, 28.10.2024 und NZZ 1.11.2024)

Schulnoten – Ja oder Nein? Diese Debatte spaltet die Bildungspolitik in der Schweiz. Das Thema der Benotung beziehungsweise der Beurteilung der Leistungen von Schulkindern befindet sich schweizweit im Umbruch. Es gibt Schulen, die auf Alternativen setzen – mit Erfolg! Selbstständiges Lernen statt Frontalunterricht; ausführliche Gespräche statt Prüfungsnoten; und die Hausaufgaben sind freiwillig. Was im Vergleich zu herkömmlichem Unterricht wegfällt, ist die Fremdbestimmung. Die Kinder sollen selbst entdecken, wo ihre Stärken sind und wo Grenzen liegen. Dies fördert die Sozial- und Selbstkompetenz. Einige Eltern zeigten sich zunächst kritisch gegenüber dem neuen Konzept. Durch die fehlenden Noten befürchteten manche einen Kontrollverlust, weil sie nicht wüssten, wo ihr Kind stünde. Doch das konnte gemäss Aussagen der Lehrpersonen gut aufgefangen werden (Basler Zeitung, 26.10.24)

 

Arbeitsmarkt, Lehrbetriebe

Tausende Kinder begleiteten auch am 14. November 2024 ihre Mama oder ihren Papa zur Arbeit – es ist wieder Nationaler Zukunftstag. Nun gibt es Kritik: Diese propagiert bewusst einen Seitenwechsel. Das bedeutet: Mädchen blicken in typische Männerberufe, Jungs in typische Frauenberufe. Es solle also eine bewusste Selektion in umgekehrter Folge geben. Dieser «Zwang» kommt gar nicht gut an. Denn so verfehle der Zukunftstag unter Umständen sein Ziel, nämlich den Beruf eines Elternteils kennenzulernen oder gar in den Wunschberuf unabhängig von Geschlechterstereotypen hineinzuschnuppern (Luzerner Zeitung, 7.10.2024)

Der Kanton Luzern will schärfere Vorschriften für Lehrpersonen bei der Erstanstellung. Nicht nur Betreuungspersonen, sondern auch Lehrkräfte müssen bei einer Erstanstellung im Kanton Luzern künftig nebst Strafregisterauszug zusätzlich einen Sonderprivatauszug einreichen. Dieser zeigt, ob jemandem wegen Pädophilie verboten wurde, mit Kindern zu arbeiten. Diese Verschärfung hat das Parlament an der Oktobersession beschlossen, um die Gefahr von Übergriffen auf Lernende zu minimieren (Luzerner Zeitung, 28.10.2024)

 

Verbände, Organisationen, Institutionen

Fehlende Informatikfachleute – was tut der Kanton? Das fragte man sich im Kanton Solothurn. Besonders gesucht sind Fachleute im Bereich Informatik (ICT). Laut einer Prognose des Instituts für Wirtschaftsstudien Basel werden bis 2030 landesweit 119 600 zusätzliche ICT-Fachleute benötigt: 65 700 aufgrund von Pensionierungen oder Abwanderung ins Ausland und 53 800 aufgrund von Stellen, die bis dahin neu geschaffen werden. Dank dem Verein VSIA Berufsbildung Informatik können auch kleine Firmen Lehrstellen im Informatik- oder Mediamatikbereich anbieten. Grosse Firmen seien wiederum froh, wenn sie die Grundausbildung einer Institution abgeben können. Ziel ist die Kooperation zwischen grössere und kleinere Unternehmungen zu stärken. (Solothurner Zeitung, 24.10.2024) 
Verschiedenes

Schaden Tiktok, Instagram & Co. wirklich? Psychologen und eine Studie geben Entwarnung: Eine aktuelle Analyse findet keinen Beweis für einen Zusammenhang zwischen der Nutzung sozialer Medien und der Zunahme psychischer Probleme bei Jugendlichen. Die Studie untersuchte die wichtigsten wissenschaftlichen Veröffentlichungen aus den Jahren 2012 bis 2022 und widerspricht der verbreiteten Annahme, dass Plattformen wie Instagram oder TikTok direkt schädlich sind. Soziale Medien dürfen nicht als Sündenbock für die psychischen Probleme von Jugendlichen stigmatisiert  werden. Komplexere Ursachen wie Leistungsdruck, Vereinsamung und Zukunftsängste sind gewichtiger. (Sonntagszeitung, 13.10.2024)

 

Bildungspolitische Debatten, Entscheide

Ende November 2024 im Kanton Aarau und im Februar 2025 im Kanton Luzern stehen die Vorlagen zum Stimmrechtsalter 16 an. In beiden Kantonen ist es ein breit aufgestelltes, junges Komitee, das hinter der Vorlage steht. Gefordert wird das aktive Stimmrechtsalter 16 auf kantonaler Ebene, um mitbestimmen zu können. Die Wählbarkeit in ein politisches Amt bleibe bei 18 Jahre. Es sei wichtig, junge Kräfte so früh wie möglich in die Politik einzubinden. Viele Entscheide, die heute gefällt werden, treffen die jüngere Generation unmittelbar. «Zudem ist es auch eine Massnahme gegen die demografische Entwicklung, wir brauchen junge Stimmen», so das Komitee aus dem Kanton Aargau. Die Argumente, welche ins Feld geführt werden, sind die gleichen wie in Luzern. (Aargauer Zeitung, 4.11.2024) 
International

Die Zürcher Hochschule der Künste (ZHdK) steigt vorzeitig aus der -Partnerschaft mit der Shenzhen University (SZU) aus. Dies zum Ärger der chinesischen Seite, die auf eine Fortsetzung der Zusammenarbeit hoffte. Vor über zehn Jahren begann die ZHdK, beim Aufbau einer neuen Designhochschule in der chinesischen Grossstadt Shenzhen mitzuwirken. Weil sich China aber immer stärker zu einem autoritären Staat entwickelt, stiess die Zusammenarbeit innerhalb der ZHdK auf Kritik: Den Dozierenden in Shenzhen drohe Überwachung und es finde ein einseitiger Wissenstransfer statt. Die ZHdK möchte dies nicht weiter unterstützen. (Tages-Anzeiger, 24.10.24)

Karin Andrea Stadelmann ist eine Schweizer Politikerin (Die Mitte), Luzerner Kantonsrätin und Erziehungswissenschaftlerin. Sie ist zudem seit 2024 Präsidentin der Mitte Kanton Luzern.

Diese Kurznachrichtenübersicht wurde abgeschlossen am 5. November 2024. Deutschsprachige Version veröffentlicht in der CIVITAS 1/2024–2025.

Die Grosse Kneipe auf dem Heidelberger Schwabenhaus fasste die insgesamt rund 120 Teilnehmenden der Tagung nicht; allerdings verfügt die Corps Suevia Heidelberg auch über eine grosse Halle, die angrenzt, womit für alle Historiker ein ungetrübter Hörgenuss gewährleistet war. (Foto: Dr. Bernhard Grün)

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